Eine Blitzumfrage unter Kolleg*innen, Freund*innen und Bekannten zeigt ein vielfältiges Bild:
Die einen fahren im Urlaub gern ans Meer, andere in die Berge. Familien mit kleinen Kindern lieber ein paar Mal an den gleichen Platz, wenn es dort für alle passt. Andere suchen immer neue Ziele und nehmen Überraschungen bereitwillig in Kauf.
Expats nützen die Ferien, um ihre Familien und Freund*innen zu Hause zu besuchen. Manche der Befragten bleiben im Sommer lieber daheim, weil sie endlich ihre Umgebung besser kennenlernen, den Garten pflegen und genießen, oder sich einfach dem süßen Nichtstun hingeben möchten.
Vor dem inneren Auge entstehen Bilder von Sandburgen, bunten Cocktails, Spaziergängen durch kühlende Wälder, von glitzernden Wassertropfen beim kühnen Sprung in einen See, das Gefühl der Leichtigkeit beim Schwimmen im Meer, und von Leser*innen, die ganz in ihre Geschichte versunken an jedem beliebigen Ort der Welt sein könnten.
Wie wir urlauben und unsere Batterien aufladen, ist ganz unterschiedlich. Dass wir regelmäßig eine Auszeit nehmen und Energie tanken, ist aber für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden wichtig. Und nicht nur das: Dass wir uns Erholung gönnen, ist auch von entscheidender Bedeutung für den langfristigen Erhalt unserer Leistungsfähigkeit.
„Die Kunst des Ausruhens" ...
Claudia Hammond, Dozentin für Psychologie an der Boston University in London, geht in ihrem 2019 bei Dumont erschienen Buch, „Die Kunst des Ausruhens – Wie man echte Erholung findet“ sogar so weit, „Auszeiten“ als Rezept gegen unsere unentwegte Betriebsamkeit zu verschreiben.
Allerdings ist das Phänomen, ständig „busy“ zu sein nicht unbedingt neu. Schon Sokrates warnte vor der Unproduktivität eines zu geschäftigen Lebens, in welchem Tun und Nicht-Tun verschwimmen. Hammonds Empfehlung für Wohlbefinden und den Erhalt unserer Leistungsfähigkeit ist es, einem häufigeren und besseren Ausruhen ebenso viel Aufmerksamkeit zu schenken, wie der Planung unserer (beruflichen) Aktivitäten.
Dabei ist es hilfreich, sich dessen bewusst zu sein, was man aktiv steuern kann und wo dem eigenen Einfluss Grenzen gesetzt sind: Ein Traumurlaub lässt sich nicht planen, aber offen für schöne Erinnerungen zu sein, liegt ganz in unserer Macht.
Vor Konflikten mit unserem/unserer Partner*in sind wir auch im Urlaub nicht gefeit, aber vielleicht können wir das Mehr an gemeinsamer Zeit auch dafür nutzen, uns aufmerksamer zuzuhören. Wir könnten die Bedürfnisse erforschen, die unseres Gegenübers ebenso wie unsere eigenen, und vielleicht sogar mit noch mehr Verständnis füreinander vom Urlaub heimkommen.
Wir könnten frei vom Schulstress Talente unserer Kinder beobachten, wie die Neugierde und endlose Geduld beim Bau einer Sandburg oder beim Beobachten von Fischern, die mühelose Überwindung aller Sprachbarrieren im Kontakt mit anderen Kindern, oder auch die Konsequenz, immer nur das vertraute Nudelgericht zu essen. Vielleicht lässt sich etwas von diesen Skills beim nächsten Hausaufgabenstress abrufen und gut einsetzen.
Was Sie jedenfalls planen können, ist, mit leichtem Gepäck zu reisen; im wörtlichen und im übertragenen Sinn: Lassen Sie alles zu Hause, was Sie im Urlaub nicht unbedingt brauchen und nehmen Sie mit, was Ihnen bestimmt Freude macht.
Rezept zur Erholung
- Sorgen Sie zumindest im Urlaub für ausreichend Ruhepausen (den ganzen Tag „busy“ sind Sie ohnehin im Job).
- Verwenden Sie die richtigen Zutaten und mischen Sie diese nach Ihren persönlichen Vorlieben, z.B.:
- Sich von anderen zurückziehen oder Gesellschaft suchen
- Sich sportlich betätigen, damit der Geist entspannen kann, oder in der Hängematte dösen.
- Die Gedanken frei schweifen lassen und Tagträumen.
- Wenn dabei Sorgen auftauchen, machen Sie sich eventuell ein paar Notizen für später und lenken Sie sich dann ab (mit einem Buch, einer Aktivität, einem Podcast).
- Erlauben Sie sich, nichts Besonderes erreichen zu müssen.
- Erlauben Sie sich, auszuschlafen (Zur Erinnerung: Zeitiges Aufstehen ist moralisch gesehen nicht besser).
- Vor allem im Alltag, aber auch im Urlaub: Wenn Sie sich gestresst fühlen, verschreiben Sie sich 15 Minuten von dem, was Sie zur Erholung am liebsten tun.
- Lassen Sie sich von Unabänderlichem nicht übermäßig beeindrucken: Wenn Sie z.B. in einer Schlange stehen, können Sie auch tagträumen, „Ich seh‘, ich seh‘, was du nicht siehst“ spielen, sich mit ihrer Begleitung oder anderen Menschen unterhalten, Podcast hören …
- Genießen Sie den Augenblick, und hüten Sie sich vor abwertenden Vergleichen (mit dem bereits verklärten Urlaub vom Vorjahr, mit dem Traumurlaub anderer Menschen …)
- Seien Sie neugierig und sammeln Sie Eindrücke, Gefühle und gute Erinnerungen, die Sie später, z.B. in Stresssituation, abrufen können.
- Achten Sie darauf, dass Ihre Neugierde und Ihr Wunsch nach Abenteuer nicht in Hektik ausarten: Lieber weniger erleben und dafür intensiv genießen als vieles nur sehr oberflächlich.
- Schließen Sie Kompromisse und sagen Sie auch einmal nein: z.B. Gehen Sie mit bis zu einer Hütte und warten dort auf ihre*n gipfelstürmende*n Partner*in, oder verzichten Sie auf den Bootsausflug, wenn Sie leicht seekrank werden.
- Seien Sie großzügig mit sich und gut zu sich selbst.
Fünf Schritte zu Ihrem Wohlfühlurlaub
1. Planen
Wenn die Entscheidung für ein Urlaubsziel gefallen ist, genießen Sie die Vorfreude. Schmökern Sie in Reiseführern (die Sie auch in der Bibliothek ausborgen können), lesen Sie Krimis, die vor Ort spielen, informieren Sie sich über lokale Spezialitäten und probieren Sie vielleicht sogar schon ein neues Kochrezept aus.
2. Koffer packen
Weniger ist mehr. Vielleicht verfolgen Sie ein paar Tage lang den Wetterbericht, um sicherzugehen, dass die Daunenjacke bestimmt zu Hause bleiben kann. Ein E-Reader mag nicht jedermanns Sache sein, im Reisegepäck kann er aber Kilos sparen. Machen Sie sich eine Checkliste von dem, was Sie wirklich brauchen (z.B. Medikamente).
» zu den Checklisten
3. Anreise
Wir hören es vielleicht nicht gern, aber: Egal, welches Reisemittel Sie wählen, Ihr bester Reisebegleiter ist die Geduld.
4. Vor Ort
Seien Sie neugierig und geben Sie Ihrem Ferienort die Chance, die er sich verdient. Wenn Sie vor dem Urlaub sehr gestresst waren, werden Sie nicht gleich am ersten Tag entspannt sein können. Geben Sie sich Zeit und folgen Sie der Anleitung zur Erholung.
5. Wieder daheim
Vielleicht möchten Sie sich Notizen darüber machen, was Ihnen besonders gutgetan hat. Wenn Ihnen das Gestalten Spaß macht, können Sie die positiven Erfahrungen und Erlebnisse vielleicht auch in einer Collage festhalten. Wieder im Alltag können Sie dann immer wieder einen Blick auf Ihre schönen Erinnerungen werfen und die guten Gefühle abrufen.
Achtsamkeit
Die Erholungsforschung zeigt, dass die regenerativen Effekte eines Urlaubs bereits nach 20 Tagen verpuffen. Eine nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten nachhaltig effektive Methode zur Stressbewältigung ist die Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR).
Das standardisierte Achtsamkeitsprogramm kann in Kursen erlernt werden. Dabei geht es u.a. darum, eine innere Beobachterperspektive einzunehmen, um in Stresssituationen nicht einfach getrieben zu sein, sondern Wahlmöglichkeiten für sein Handeln zu sehen.
Die bekannte deutsche Ärztin und Psychotherapeutin Luise Reddemann empfiehlt, klein anzufangen. Nützen Sie Ihren Urlaub für den ersten Schritt, indem Sie einfach einmal am Tag versuchen, „die automatisierten Routinen zu durchbrechen und bewusst die innere Beobachterrolle einzunehmen oder kurz zu überprüfen, ob beispielsweise die eigene Schrittgeschwindigkeit gerade als passend erlebt wird.
Der Trainingsumfang sollte sein: Nur ein klein bisschen mehr als nie.“
(Hentschke, 2019, S. 105)1
[1] Hentschke, F. (2019). 101 x Psychologie! Alles, was wichtig ist. Darmstatt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.